Bundesverfassungsgericht
verteidigt Meinungsfreiheit gegen DDR-Hasser
von Wolfgang Schmidt in eigener Sache
Am 20.Februar 2018 veröffentlichte das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Pressemeldung, deren offizielle
Kurzfassung lautet:
Grundrechtsverstoß durch mangelhafte
Berücksichtigung des politischen Kontexts einer Meinungsäußerung
Polemische Kritik an einer Person,
die in der frühen DDR-Zeit hingerichtet und später in der Bundesrepublik
rehabilitiert wurde, ist als Meinungsäußerung von dem Grundrecht der
Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1) grundsätzlich gedeckt. Ob diese Sichtweise
sachlich in irgendeiner Weise vertretbar oder von vorneherein unberechtigt ist
und ob das in Bezug genommene Urteil grob rechtsstaatswidrig und unangemessen
hart war, spielt für den Schutz der Meinungsfreiheit keine Rolle. Mit dieser
Begründung hat die 3. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem
Beschluss auf die Verfassungsbeschwerde eines Internetseitenbetreibers hin
dessen Verurteilung wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter
Zurückverweisung der Sache aufgehoben, weil die Strafgerichte den Anforderungen
des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht genügt haben, indem sie den politischen
Kontext bei der Deutung der Äußerungen nicht hinreichend berücksichtigt und das
entgegenstehende Gewicht des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen
unzutreffend gewichtet haben.
Alles begann 2005. Die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“,
die das „Mauermuseum“ am Checkpoint Charlie in Berlin betreibt, eine üble antikommunistische
Hetztruppe, informierte das Insiderkomitee zur kritischen Aufarbeitung der
Geschichte des MfS, dessen Webseite ich seit dem Jahre 2000 gestalte, über die
auf ihr Betreiben hin erfolgte Rehabilitierung von Johann Burianek, einen 1952
vom Obersten Gericht der DDR zum Tode verurteilten Terroristen. Daraufhin stellte
ich unter www.mfs-insider.de einen Link zum Fall Burianek ein, den ich mit
dem folgenden Satz einleitete: „BRD-Beitrag zu der von den Vereinten Nationen angestrebten
weltweiten Ächtung des Terrorismus: Legalisierung des Terrors gegen die DDR
durch Rehabilitierung des KgU-Banditen Burianek.“ Unter diesem Link
dokumentierte ich eine Kurzfassung des Urteils des Obersten Gerichts der DDR
von 1952. Dazu dokumentierte ich mit einem weiteren Link den Beschluss des
Landgerichtes Berlin vom 02.09.2005 als einen Beschluss „zur Rehabilitierung des Anführers einer terroristischen Vereinigung“
Burianek.
Daraufhin
gab es immer wieder Versuche, diese Veröffentlichungen zu kriminalisieren und
zu unterbinden. Die CDU-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Lichtenberg brachte z.B. am
24.04.2008 folgenlos einen Antrag in der BVV ein, in dem es u.a. hieß: "... Das
MfS-Insiderkomitee betreibt auf seiner Web-Seite einen aktiven
Geschichtsrevisionismus und verhöhnt die Opfer der DDR-Diktatur…“ Geprüft wurde
auch ein Strafverfahren nach § 189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens
Verstorbener). Letzteres scheiterte
zunächst daran, dass dieser Paragraf normalerweise einen Antrag von Angehörigen
voraussetzt. Lebende Verwandte Burianeks waren nicht zu ermitteln.
Erst 2011, ein CDU-Mann hatte den SPD-Justizsenator
abgelöst und war erst eine Woche im Amt, wurde dann gegründet auf eine Anzeige
von Dr. Hubertus Knabe, dem Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen,
ein Ermittlungsverfahren nach § 189 StGB gegen mich eingeleitet. Ein Antrag
Verwandter war nach dem Gesetzestext nicht erforderlich, wenn der Verstorbene sein
Leben als Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und
Willkürherrschaft verloren hat. Herr Knabe hatte es also mit CDU-Hilfe
geschafft, nicht nur mich, sondern gleichzeitig die DDR anzuklagen und sie mit
dem faschistischen Regime auf eine Stufe zu stellen.
Das Amtsgericht Tiergarten und in der Berufungsverhandlung
das Landgericht Berlin folgten am 27.9.2012 bzw. 18.März 2013 den Anträgen der
Staatsanwaltschaft und verurteilten mich zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro.
Das als Revisionsinstanz angerufene Kammergericht bestätigte am 18.7.2013
dieses Urteil, ohne dazu überhaupt zu verhandeln. Am 28.8.2013 wurde das
Verfassungsgericht angerufen mit dem jetzt vorliegenden positivem Ergebnis.
Alle Urteile, Erklärungen und Berichte dazu sind auf der Webseite des
Insiderkomitees nachzulesen.
Bemerkenswert ist, dass in allen Verhandlungen der Berliner
Gerichte – wie auch in aktuellen Artikeln des „Tagesspiegel“ (Überschrift: „Ein
DDR-Widerständler kann ein Bandit sein“) und von „Zeit-online“ mir immer wieder
vorgeworfen wurde, ich hätte Burianek als Banditen bezeichnet. Der Vorsatz KgU fiel
und fällt dabei unter den Tisch. Viele Mitglieder der ISOR wissen aber, was das
Kürzel KgU bedeutet. Burianek war außerdem kein einfacher Agent der KgU, er
hatte eine Gruppe von 6 weiteren Agenten aufgebaut und angeführt.
Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) ging
1948 aus einem Suchdienst des amerikanischen Agenten Rainer Hildebrandt hervor.
Inspirator, Organisator und Finanzier dieser klassischen
Terrororganisation, die sich zur skrupellosesten und gefährlichsten Agentenzentrale
in Westberlin entwickelte, war zunächst der Leiter der Region VIII des amerikanischen militärischen Geheimdienstes Counter
Intelligence Corps (CIC), Severin F. Wallach, der die Losung
ausgegeben hatte: »In der Zone muss es bumsen, bumsen!« Später übernahm die CIA die Anleitung und Finanzierung.
Die Entlarvung
und Festnahme von Terroristen der KgU, die Sprengstoffanschläge gegen Eisenbahn-
und Straßenbrücken sowie Schleusen und Talsperren, Brandanschläge und selbst die
Vergiftung von Trinkwasser geplant, vorbereitet und z. T. auch
durchgeführt und durch Auslegung sog. Reifentöter sogar Unfälle mit
Todesfolge verursacht hatten, gehörte bekanntlich zu
den ersten großen Erfolgen des MfS. Darüber hinaus wurde die KgU zu vielfältigen
verdeckten Operationen gegen die DDR eingesetzt. Sie betrieb
umfangreiche Spionage, vor allem auf militärischem und wirtschaftlichem
Gebiet, Wirtschaftssabotage durch Fälschung von Anweisungen der
DDR-Außenhandelsorgane, Lebensmittelkarten, Bezugsscheinen etc. sowie in
besonders aggressiver Form auch die Herstellung und Verbreitung
von Hetzschriften gegen die DDR. Die KgU musste 1959 aufgelöst
werden. Die Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR hatten unter Beweis gestellt,
dass sie Terroranschläge erfolgreich abwehren können.
Auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, das BVerfG
hätte sich zu fragwürdigen Rehabilitierungen nach 1990 geäußert oder die
Charakterisierung der DDR als Gewalt- und Willkürherrschaft zurückgewiesen, ist
die getroffene Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Das BVerfG hat deutlich
gemacht, dass türkische Verhältnisse, wie die Verfolgung regierungskritischer
Äußerungen als Terrorpropaganda mit brutalen Gerichtsurteilen, in Deutschland
nicht zugelassen werden. Totschlagargumente von der angeblichen „Verhöhnung,
Beleidigung oder Verunglimpfung der Opfer“, werden immer wieder zur Behauptung
der Deutungshoheit über die DDR-Geschichte, zur Dressur von Medien und Politik
eingesetzt. Der Versuch diese Deutungshoheit nun auch noch mit den Mitteln der
Justiz durchzusetzen, ist jedoch vorerst gescheitert. Damit ist ein Stück
Rechtssicherheit geschaffen worden, das weit über den vorliegenden Einzelfall
hinausgeht. Der Beschluss des BVerfG ist eine Ohrfeige für jene
antikommunistischen Eiferer, die in ihrem unbändigen Hass auf die DDR am
liebsten jede positive Erinnerung an die DDR, jedes DDR-Symbol verbieten
würden.
Der Erfolg vor dem BVerfG zeigt, dass es sich lohnt,
wenn man sich auch in scheinbar aussichtsloser Lage zur Wehr setzt, vor allem
aber, was die Kraft der Solidarität bewirken kann. Der Gang zum BVerfG war nur
möglich durch eine beeindruckende Spendenaktion, an der sich viele
Mitglieder der ISOR und der GRH beteiligt haben. Am Ende übertraf das Spendenaufkommen mit ca.
20.000 Euro die tatsächlichen Kosten von ca. 13.000 Euro um mehr als ein
Drittel. Allen Spendern nochmals herzlichen Dank. Die positive Entscheidung des
BVerfG ist auch Euer Erfolg!
Unser Zusammenhalt und unsere Solidarität sind unverzichtbar, wenn wir uns
weiter gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Willkür zur Wehr setzen und uns
nicht entmutigen lassen wollen.
Noch muss im konkreten Fall das Landgericht meinen Fall neu behandeln. Die
BVerfG-Entscheidung lässt zwar zu, dass es sein Urteil neu begründet, das
Grundgesetz wird es allerdings diesmal beachten müssen.